„Denn das ist der große Fehler unserer Zeit… dass die Ärzte die Seele vom Körper trennen.“ – Platon
In Sardinien gab es eine verborgene Schicht von Frauen, die „Deinas“ genannt wurden, die außergewöhnliche Dinge taten. Da es keine Apotheke gab, in der man Pillen kaufen konnte, die den Schmerz betäuschten, ohne die Ursache zu behandeln, war es die Aufgabe der Deinas, der böse Blick, die Schmerzen der Seele und auch die des Körpers zu heilen.
Dass es Frauen waren, ist kein Zufall: Sie dominierten dieses Gebiet (der männliche Anteil war gering), mit einem Matriarchat, das fast zur völligen Vorherrschaft neigte, weil im antiken Weltbild die Frau, mit einer intuitiveren und empfänglicheren Verbindung zur Welt, als Vermittlerin zwischen der sichtbaren und der seelischen Welt agierte, während der Mann historisch immer mit einer rationaleren und praktischen Dimension der Realität verbunden war.
Ich habe sie nie kennengelernt, aber in Lodè, ein kleines Dorf im Zentrum Sardiniens, erzählt man besonders von Tzia Violanda und Tzia Battistina Chessa, zwei Frauen, die mit Elementen wie Feuer, Rauch und Kräutern eine Art von harmloser Zauberei praktizierten. Eine ganzheitliche Methode, sich um die Krankheiten eines Menschen zu kümmern, die bereits das moderne Verständnis der psychosomatischen Krankheiten vorwegnahm, indem sie den Körper und den Geist als untrennbare Einheit betrachteten.
Wenn man in Lodè nach den Praktiken dieser Frauen fragt, geraten die Menschen jedoch in einen Zustand der Aporie: In einer anthropozentrischen Zeit wie der unseren, die von Rationalität und Arroganz beherrscht wird, fällt es schwer zu verstehen, wie es möglich war, an die Seele und das Unsichtbare zu glauben. Doch die Tatsache, dass diese Geschichten weiterhin erzählt werden, lässt vermuten, dass diese archaischen Praktiken vielleicht nicht alle nur Lügen waren.
Gerade weil die spirituelle Welt seit Jahrhunderten im Vergleich zur Wissenschaft in den Hintergrund gerückt ist, konnte nur ein Wissenschaftler wie Freud eine Praxis bekannt machen, die eigentlich schon seit Tausenden von Jahren existierte: die Traumdeutung.
Unter anderem praktizierten die Deinas auch dies (und das schon lange vor der Erfindung der Psychoanalyse).
In Lodè gab es zwei Arten, mit Träumen umzugehen: eine passive und eine aktive.
Die passive Art hieß „Isteniare unu sonnu“, was wörtlich „einen Traum ermüden“ bedeutet, und die Deinas taten dies nicht für sich selbst, sondern für andere: Man ging zu ihnen, erzählte seinen Traum, und sie versuchten zu deuten, welche verborgene Bedeutung er haben könnte. Eine archaische und kostenlose Psychoanalyse à la Freud.
Die aktive Art und meiner Meinung nach die faszinierendste hieß „Orassione“, und Freud, soweit wir wissen, kannte sie überhaupt nicht.
Kleine Anmerkung: Obwohl der Begriff Orassione heute italienisiert wurde und mit dem christlichen Gebet (Oration) in Verbindung gebracht wird, hatte er in der sardischen heidnischen Tradition nicht diese Bedeutung. Es war kein Gebet, um in Intimität mit Gott zu sprechen, wie der italienische Begriff suggeriert, sondern eine Praxis, bei der ein Wort oder ein Gedanke obsessiv wiederholt wurde, mit der Absicht, Antworten zu erhalten, die nicht mit unseren Augen sichtbar sind, sondern sich durch das, was Freud später das Unbewusste nannte, offenbaren.
Orassione, eine fast vollständig aus dem Gedächtnis gestrichene Praxis, ist also keine einfache Traumdeutung, sondern besteht darin, intensiv nachzudenken und zwanghaft etwas zu wiederholen, um Antworten im Traum zu erhalten, aber auch im Wachzustand, durch Zeichen, die „assinzos“ genannt werden.
Im Grunde lief es so ab: Während man systematisch die Perlen eines Rosenkranzes in den Händen drehte, wiederholte man obsessiv, tagelang und leise, einen drängenden Gedanken oder den Namen einer Person, in der Hoffnung, dass die Antwort auf eine Frage oder das Schicksal dieser Person durch einen Traum oder durch die assinzos enthüllt würde. Der Traum hatte in diesem Fall eine offenbarende Funktion: er sollte das enthüllen, was den Augen verborgen blieb, was das Unbewusste bereits verstanden und gehütet hatte, wie ein Geheimnis in den Räumen der Seele, die für das wache Bewusstsein unerreichbar sind. Es ist wichtig, die Botschaft dieser Praxis zu verstehen: Die Idee des Unbekannten in uns, das heißt, dass wir nicht zu allen Teilen von uns selbst zu jeder Zeit Zugang haben. Das bedeutet, dass die Realität, die wir wahrnehmen, nicht nur von uns abhängt, weil unsere Sinne uns täuschen können. Subjektivität ist begrenzt. In diesem Sinne geben uns die Deinas eine große Lektion in Demut, die heute besonders notwendig erscheint.
Die Tatsache, dass die Deinas während dieser Praxis einen Rosenkranz drehten und den Traum als Offenbarungsmittel nutzten, das nicht mit Gott, sondern mit sich selbst verbunden war, beleuchtet einen weiteren konfliktreichen Aspekt der Insel. Diese Art der Nutzung der Träume steht eindeutig im Gegensatz zum christlichen Glauben, und dies zeigt erneut, wie sehr die Kirche versucht hat, die intimsten und persönlichsten Ausdrücke der Menschen zu unterdrücken und manchmal zu ersticken. Alle Versuche, die heidnischen Wurzeln auszurotten und zu unterdrücken, stießen immer auf Widerstand der Sarden, die noch heute ihre Essenz mit einer intimen Rebellion ausdrücken.
Als ich meinen Großvater fragte, was Orassione sei, antwortete er, dass es nur ein Gebet sei, aber dann rezitierte er ein Gedicht, das sagt:
„Muzzere mia, cando andat a missa,
achet Orassione a santu Leo.
Issa precat a minde morrer jeo e jeo
preco a sinde morrer issa“
– Meine Frau, wenn sie zur Messe geht, betet das Gebet zu heiligem Leo. Sie betet, dass ich sterbe, und ich bete, dass sie stirbt.
Es ist sicher nicht besonders orthodox, einen Heiligen zu bitten, den eigenen Ehepartner sterben zu lassen. Doch in Sardinien, in den intimsten Räumen der Seele, gilt es nicht als Sünde, ein Häretiker zu sein.